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vom 25.-29.3.24
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Ein musikalisches Feuerwerk der optimistischen Melancholie!
Montag, 05.03.2012, 20Uhr20
Lokalbühne
Mount Washington (NO)
Von gesunkenen Schiffen ist die Rede, von Wegen im Wald, die niemand betritt. Die vielgelobte, vertraute Stimme von Rune Simonsen ist der einzige Wegweiser. Eine unglaublich tiefe Melancholie gesellt sich zum wehmütigen Schönklang.
Trockener als Wikipedia könnten wirs selbst bei allergrösstem Bemühen nicht schreiben: „Mount Washington (früher Washington) ist eine norwegische Band. Sie wurde 1999 in Tromsø gegründet und widmet sich elegischer Popmusik.“ Elegische Popmusik, wenns euch da nicht schon anders wird! Und weiter: „Die Band arbeitet musikalisch mit Elementen aus Alternative Rock, Pop und Folk und wird mit dem Stil von Coldplay oder Muse verglichen.“ Hoi-hoi-hoi! Das ist Klartext. Calvinistisch staubtrocken & zwinglianisch nüchtern. Ora et labora. Es lebe Wikipedia!

Zum Namenswechsel unserer in Berlin lebenden Wikinger hier das bandeigende Statement eins zu eins übersetzt: „Vom Americana-inspirierten Debut („A New Order Rising“) über den poppigeren Nachfolger („Astral Sky“) und das herausforderndere “Rouge/Noir” haben wir immer Veränderungen gesucht. Nun, mit unserem neuen Album haben wir uns verändert. Wir haben eine neue musikalische Richtung für unsere Band eingeschlagen. Aber nicht nur das. Auch der Name “Washington” hat ausgedient. An seine Stelle tritt Mount Washington, die weisere, reflektiertere & kantigere Version seines jugendlichen Vorgängers. Mount Washington steht für alles, was wir bis heute gemacht haben, aber auch für etwas völlig Neues. Es ist eine Rückkehr, ein neuer Morgen, eine Vision voller Hoffnung und zukünftiger Grosstaten. – Und es (die Namensänderung) ist auch, weil eine gewisse australische Sängerin unseren Namen stahl. Die Basis ist geblieben. Dieselben Bandmitglieder, dasselbe wunderbare Label, derselbe Wille für alle & jeden überall Musik zu spielen. Aber wie bei der Stadt Washington (es sei die belesenste Stadt Amerikas, schrieb die NZZ) müssen auch wir als Band die Inhalte unserer Worte verändern. Mount Washington, ursprünglich ein Berg mit extremsten Witterungsbedingungen, ist nun eine Band. Yes, we can. Liebe Grüsse, Mount Washington.“

Es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn man die Scheibe "Rouge/Noir" mit den beiden späten Talk Talk-Juwelen "Spirit Of Eden" und "The Laughing Stock" vergleicht. Rune Simonsen, Andreas Høyer und Esko Pedersen bringen Musik aus der Kälte mit und gehen nicht auf Kuschelkurs. Vielmehr lassen sie uns frösteln. Von gesunkenen Schiffen ist die Rede, von Wegen im Wald, die niemand betritt. Die vielgelobte, vertraute Stimme von Rune Simonsen ist der einzige Wegweiser. Eine unglaublich tiefe Melancholie gesellt sich zum wehmütigen Schönklang.

Das neue Album „Mount Washington“ ist trotz aller Sehnsucht klar optimistischer, fröhlicher. Ein Neuanfang in einer neuen Stadt. Berlin trieft aus allen Poren. Die Stadt als Inspiration. Vom beschaulichen Fischerstädtchen mit grossartiger Naturkulisse in die gehypte deutsche Kulturmetropole. Auch die Musik verändert sich: Reduziert, groove-orientiert, mit einer gehörigen Prise Elektronik versehen, klingen Mount Washington urbaner denn je. Die Single "Lisboa" ist programmatisch: Sie beginnt schnell und verspielt, mit einem luftigen Gitarrenlick (nein, nicht Luftgitarrenlick, du Analphabet!) und mündet in elegischen Background-Chören, die scheinbar vergeblich gegen den übermütigen Lead-Gesang ansingen - bittersüss wie das Leben selbst.

Mit der Unterstützung der beiden Produzenten Guy Sternberg (Feist, Junior Boys, Keane) und David Newfeld (Broken Social Scene, Superfurry Animals) haben Mount Washington ein Album geschaffen, das die Narben der Vergangenheit nicht versteckt, aber weit nach vorne blickt und vor Energie und Erwartung schier zu bersten scheint. Und auf unserer hochbelesenen Kulturinsel wird die Saat des Guten voll aufgehen & in unvorstellbarer Farbenpracht erblühen. Ein musikalisches Feuerwerk der optimistischen Melancholie!
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