Jedenfalls hat das 1995 gegründete Familien-Kollektiv aus Brüdern & Cousins aus dem Stadtteil Abalane sich in 25 Jahren als die führende Combo derartiger Veranstaltungen etabliert. Im Konkurrenzdschungel von Agadez bedeutet ein Auftritt bei einer durchschnittlich drei Tage dauernden Hochzeit oft, mindestens sechs Stunden am Stück zu spielen, für Gagen von rund 150 Euro pro Abend. Der Name Etran de L'Aïr bedeutet übersetzt «die Sterne des Aïr», der Gebirgsregion im Norden des Niger. Wie die Familie wuchs auch die Band, deren Grösse von Auftritt zu Auftritt zwischen fünf & neun Personen schwankt. Sie alle sind Kinder von Nomadenfamilien, die vor den grossen Dürren der 1970er Jahre flohen & in der grössten Metropole des Nordnigers sesshaft wurden. Agadez war 1995 viel kleiner, es gab wenig Elektrizität & elektrische Gitarren waren rar. «Wir hatten anfangs nur eine Akustikgitarre und unsere Perkussion bestand aus einer in Wasser schwimmenden Kalebasse, die mit einer Sandale geschlagen wurde», erzählen sie. «Es war schwierig. Wir schleppten unser Soundsystem und unsere Gitarren zu Fuss zu den Konzerten. 25 Kilometer durch den Busch, um kostenlos zu spielen. Es gibt keinen Ort in Agadez, an dem wir nicht aufgetreten sind.» Agadez ist eine Gitarrenstadt, in der es Dutzende von Bands, aber noch immer keinen Gitarrenbauer gibt. Mittlerweile spielen Etran de l'Aïr mit Schlagzeug & E-Gitarren aus China, «bis ich mir eine schöne Fender kaufen kann, inshallah.» In dieser Welt des Sandes, die elektrischen Schaltkreisen & gespannten Saiten feindlich gesinnt ist, hat Abindi, der Kopf der Band, einen Trick, um seine magischen Gitarren haltbar zu machen: «Du öffnest die Gitarre, nimmst einen Pinsel und tauchst ihn in Benzin. Dann bürstest du gut und der ganze Schmutz und Sand wird weggeblasen. Danach musst du 24 Stunden warten, bis das Benzin verdunstet ist, bevor du spielen kannst.» Der Agadez-Stil ist einer der schnellsten; mit frenetischen Soli, Schlagzeug-Stakkatos & flamboyant tanzenden Gitarristen. Mit Etran de l'Aïr hat sich eine der kreativsten Gitarrenbands der Tuareg mittlerweile durchgesetzt. Sie zelebriert einen für ihre Heimatstadt typischen panafrikanischen Stil & zitieret Einflüsse vom Nordmali-Blues über kongolesische Soukous bis zu Hausa-Bar-Bands. «Wir spielen für die Tuareg, die Toubou und die Zarma genauso wie für die Hausa. Man muss uns nur einladen und wir spielen.» Ihre Musik ist pures Feiern, mit einer Fülle von Gitarren, die präzise, nie nachsichtig, mit unbändiger Energie übereinander geschichtet werden. Immer sind Etrans Stücke engagiert & dynamisch. Etran de l'Aïr zelebriert Musik, die eine Botschaft vermittelt und gleichzeitig ein Fest ist. Denn in erster Linie bringt Etran de l'Aïr die Leute zum Tanzen, mit einem unwiderstehlich treibenden Rhythmus & zwei Sologitarren im ständigen Dialog. «In Niger sind wir die einzigen, die so arbeiten. Wir pflegen die Improvisationen und die Arrangements und stecken viel Energie hinein!» Das passt bestens zu unserer allerletzten Oaseninsel an der von Wanderdünen gesäumten Mississihl.