"Josephine" ist ihr Name. Und Magnolia Electric Co., die Band von ex-Songs:Ohia-Frontmann Jason Molina, dem "rastlosen, begnadet talentieren Songschreiber allerhöchster Folk- und Countryhöhen mit der wunderbaren Stimme der einsamen Seele" (spex) verdient nichts geringeres denn Superlativismen. Auch Rolling Stone schrieb anlässlich der neuen, wunderbaren Veröffentlichung "Josephine" (aufgenommen von Steve Albini) euphorisch: "Eine der herausragenden Rockbands unserer Tage. Eine Band, die den rockigen Neil Young aus Crazy Horse-Tagen in unsere Zeit übersetzt. Knorriger Heartland-Rock, mit ausserordentlich robusten Gitarrrenlicks." Die Platte beschäftige sich einerseits mit Entwurzelung, andererseits verarbeite sie den tragischen Tod des Magnolia-Bassisten Even Farell, der bei einem Wohnungsbrand ums Leben kam, sagt Molina selbst. Dementsprechend traurig schön klingt das Ganze. Die gross- & einzigartige Stimme oft entrückt, angstvoll, glasklar. Ein bisschen elegisch wird’s immer dann, wenn vom alten Horizont und vom Teufel gesungen wird. Magnolia Eletric Co. ist eine Band wie 16 Horsepower, die countryesken Rock auf einzigartige Weise spielt und sich ganz selbstverständlich als Erbe einer langen Tradition sieht, fernab von den üblichen Americana-Langweilern. Molina findet, Will Oldham ähnlich, stets neue Ausdrücke für die Poesie seines Landes und deshalb wollen wir ihn immer wieder auf unserer Insel hören. Und gleich noch einmal von vorn.
Und was der Rolling Stone zur Platte im Monat August 09 meint:
"Ein Cover, auf dem nur der Band-Name steht. Oder ein Cover, auf dem nur der Plattentitel steht. Anstelle eines Booklets: ein Zettel. Die Songtitel und Musiker-Namen in schlamperter Handschrift. Etwaige Lyrics in Kladde hingeworfen. Und der Band-Name mal so, mal so geschrieben.
Das ist, auf das Sichtbare verkürzt, die Strategie des Songschreibers Jason Molina, seit er in den 90er Jahren mit der Band Songs:Ohia hervortrat: geheimnisvolle, betörende Folk-Songs, die sich immer mehr auf den elektrischen Neil Young zubewegten, woraufhin Songs:Ohia im Jahr 2003 fast unmerklich in Magnolia Electric Co. übergingen, die zunächst sogar einige Stücke der Vorgänger übernahmen.
Es war ja immer Jason Molina mit Musikern. Der nirgendwo je - und vor allem nicht in den USA - großflächig porträtierte Solitär lebt in Chicago, lässt seine Platten schnell und unspektakulär von Steve Albini aufnehmen, geht manchmal auf Tournee mit ein paar Kollegen, die es bestimmt nicht fürs Geld tun.
Anders als Bill Callahan, Sparklehorse, Vic Chesnutt, Will Oldham, Calexico und Lambchop wird Molina auch nicht in Europa als verstecktes Genie gefeiert; Magnolia Electric Co. kommen nur in den Rezensionsteilen der Musikzeitschriften vor. Der Begriff "independent" erfasst heute Gossip und The Kills, noch immer Sonic Youth und Yo La Tengo, sogar die Yeah Yeah Yeahs und die White Stripes. Jason Molina ist ein Niemand.
Kaum jemand nutzt die absolute Freiheit so konsequent wie er. Zwei, drei Platten in einem Jahr hat es schon gegeben. Eine EP zwischendurch, darunter eine Fassung von Warren Zevons "Werewolves Of London". Eine Holz-Box mit vier Alben und einem Film. Molina liebt hörbar einige amerikanische Musiker, er hat auch schon einmal in Nashville aufgenommen, er könnte ein Elvis Costello sein. Aber immer wieder spielt er diese strengen, ernsten, naturschönen Gitarren-Epen von glasklarer Reinheit.
Auf "Josephine" hat Molina nun einige Instrumente ergänzt: Dobro und Lap-Steel-Gitarre aus der Country-Musik, die ihm nah ist, aber auch Mellotron und Saxofon. Verwendet heute kaum jemand außerhalb von Jazz und Prog-Rock. Aber die Songs fließen wieder so dahin, Molina singt zugleich traumverloren und hellwach. Die Stücke heißen meistens so, wie Songs vor hundert Jahren betitelt wurden: "O! Grace", "Shenandoah", "Shiloh", "Whip-Poor-Will". Der Western ist da, die Weite, der Horizont. Aber kein Outlaw Pete braust hier auf seinem Motorrad, und man denkt auch niemals an das verschwundene Paradies und die letzten Büffel, wie Neil Young es in seinem Werk tut. Magnolia Electric Co. haben - wie die Cowboy Junkies - ihre Welt in sich selbst, sie lassen sich so wenig beeindrucken wie Gläubige der Zeugen Jehovas."
Und Berthold Seliger:
Klassische, zeitlose Balladen, von Country- und Folkeinflüssen durchwirkt, mal von Gitarre, mal vom Klavier getragen, mal eine Lapsteel- bzw. Dobro-Gitarre, mal unterlegt von einer Orgel, mitunter rockig im Sinne von Neil Young - also allerbester "Stoff", wie man es von Jason Molina's Band und einem Songwriter seiner Güteklasse (Songs:Ohia) erwarten kann.
Und doch ist diesmal etwas anders. Nicht nur, daß kein Geringerer als Steve Albini das neue Album "Josephine" produziert hat - es handelt sich um ein Konzeptalbum, in dem sich Molina mit dem Tod seines Bandmitglieds Evan Farrell auseinandersetzt. Es geht Molina darum, mit diesem Album dem Leben und Geist des im Dezember 2007 verstorbenen Bassisten Ehre zu zollen. Laut Molina ist jeder Song "der Versuch, die Hoffnungen, die Evan für dieses Album hatte, zu verwirklichen". Und so bekam das Magnolia Electric Co.-Opus, das sich ja ohnedies schon immer mit "universeller Einsamkeit" auseinandergesetzt hat, eine neue Bedeutung, eine Erweiterung in einer fokussierten, direkten Art und Weise. "…an hour glass… filled with tears and twilight from a friend's dying day" singt Molina.
Eine Musik, die uns immer wieder aufs Neue das Herz zerreißt.
"Album des Monats" im Rolling Stone 8/2009. Und live zu sehen und zu hören.