Also, wer sowas noch hören will, ist entweder sehr schwer hörig, extremsportlich mutig oder leidet schlicht & simpel an nölendem Naturhirn. Ist halt nicht so einfach, unerhört gute Musik in trockene Lettern zu fassen. Aber gut gemeint ist’s allemal.
Chessy Weaver jedenfalls (die mit der klaren Naturstimme) hat’s vom Hudson River an die Aare und für einen zweitletzten Abend samt Band nun auch an die blauschöne Mississihl verschlagen. Und das freut uns herzlich. 1990 stiess sie zur selbsternannten «Spezialgruppe für spanabhebende Beschallungstechnik» um Ur-Sänger Huri Hurban (der mit dem nölenden Punkorgan): «Ich wollte eine Band mit Style, wo es live schlagartig vorwärts geht – zack, zack!» An seiner Saite der wagemutige Stuwi Aebersold (und später auch noch Carlos Manuel Häfliger) mit Fingerbrecher-Rockabilly-Licks, straight getrieben von Bassist Ueli Hafner und Drummer Sam Mumenthaler. Bald gehörte Phon Roll zu illegalen Festen im Berner Underground und zu den funkelnden Everybody’s Darling-Live-Acts am Schweizer Rockfirmament. Und das nicht etwa in Bärndütsch, sondern in Englisch. Logo.
«Phon Roll ist Rock ohne Überbau. Politische Ausstrahlung geht der Band ab, ihre Musik ist frei von Messages und Verpflichtungen», schrieb der verehrte Bänz Friedli damals. «Rock’n’Roll als Selbstzweck – oder pures Lebensgefühl. Unprätenziös, ohne zur Schau gestellten Tiefgang.» Der Tiefgang kam mit Chessy Weaver’s geheimnisklarer Stimme. «Three Martini Lunch» wurde gleich zum Radio-Dauerbrenner. Es folgten T-Bone Burnetts «River of Love» und Steve Earles «Nothing But a Child», die euch die hinterletzten Härchen zu Berge stehen lassen. Flotter Haudraufrock meets atmosphärische Balladen, Hurbans fesch geschnittene Kittel Weavers blumige Röckchen. Das alles auch stimmlich.
Chessy’s damaliger Ehemann Kuno Lauener himself produzierte 1991 das Album «Love Boat», das sich am Amerika von Lucinda Williams bis Lyle Lovett orientierte. Und es kratzen die Banjos und die Pedal-Steel-Gitarren jammern bis heute. Für einmal gab es nicht nur Kritikerlob, sondern auch einen Hitparadenplatz. Abnützungserscheinungen und Erfolgsdruck nagten. Auf «Moon Not Same» (1995) war der stürmische Rock einem oft dunklen Gitarrenpop gewichen. Die Suche war gesucht, der Aufbruch das Ende: 1996 löste sich die Band auf. Und nun – 14 Jahre später – kredenzen sie in Originalbesetzung wieder frisch von der Leber weg ihren treibenden Phon Roll-Sound, dass unsere allerletzte Insel ganz selbstverständlich die Mississihl hinunter in die Aare übersee in den Hudson River and back treibt. Es ist der zweitallerletzte Festland-Gig. Nächstes Jahr dann noch zur Hochsee. Und tschüss. «Sie kommen, um zu gehen», schreibt eine Berner Zeitung. Punkt. Wer’s verpasst, den beissen die Bären. Oder der «mürrischste Wirt» (20 Minuten) von Züri Zentral. Aus. Amen.