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Feins z'Mittag 
vom 25.-29.3.24
Am liebsten gelesen, gehört und angeschaut ...
Samstag, 26.10.2019, 20Uhr20
Lokalbühne
Jesca Hoop
+ Manon + Chloe Foy
Die kalifornische Singer/Songwriterin & Gitarristin Jesca Hoop wurde von der britischen Stadt Manchester adoptiert.

Die Karriere der Mormonen-Tochter umfasst inzwischen fünf Alben; manche schreiben sieben; scheissegal – das aktuellste: «Stonechild» (2019); produziert von John Parish (PJ Harvey, This is the Kit, Aldous Harding) – mit feinstfühligem Songwriting, gesungen in einer einzigartigen Weise von einer ebenso einzigartigen Stimme. Der Titeltrack von «Memories Are Now» (2017) eröffnet mit «a fighting spirit», wie Hoop sich ausdrückt: Clear the way / I'm coming through, no matter what you say. / I've got work to be doing / if you're not here to help, go find some other life to ruin. Nichts wie weg, also! Oder halt: Nichts wie hin! Jesca Hoops Songs sind superminimalistisch, aber voll Schnurstracks-Fadengrad-Energie. Lebenserfahrung, emotionale Tiefe & jahrelanges Verfeinern des musikalischen Herzhirnhandwerks. Das vor Ideenreichtum strotzende Album zeigt jedenfalls nach anfänglicher Leichtigkeit originelle Ecken, Kanten & Kurven einer fantastischen Musikerin mit einer fesselnden Stimme. Entwaffnend. Songs Menschliches & Allzumenschliches , Technologie sowie über bleischwere Religion, weltbelastend: «Religion taucht auf, übernimmt die Macht und zeigt sich auf gefährliche Weise, wenn sie aus dem Gleichgewicht gerät. Zeig mir eine Zeit, in der sie nicht aus dem Gleichgewicht kam.» In «The Coming» gibt der von den Menschen & ihrem zur Groteske verkommenen Glauben enttäuschte Jesus gar seine Dornenkrone zurück; er demissioniert von seinem Posten als Messias, beklagt eine durch Doppelmoral & Missverständisse bestimmte Amtszeit, nimmt neben dem Teufel Platz & sagt: I need a new name. Jesca Hoop konzentriert sich in ihrer Kunst auf das Wesentliche: die Melancholie & die Schönheit. Auf «Stonechild» bringt Parish's minimalistischer & puristischer Ansatz Hoops Ideen & ihren Sound noch deutlicher auf den Punkt. Die simplen Arrangements rücken die grundlegende Raffinesse der Songs in den Vordergrund. Aber einfach wars nicht immer mit Parish:«Ich wurde noch nie so brutal bearbeitet. Ich drückte mein Unbehagen auch aus, als ich meine Arbeit auf dem Boden des Schneideraums sah. Er sagte, du wirst mir verzeihen und in gewisser Weise habe ich diese Behandlung akzeptiert... zurück zu den nackten Grundlagen gezogen zu werden... wenn auch unter Schmerzen.» «Stonechild» nannte sie das Album nach einem Besuch im The Mütter Museum in Philadelphia beim Anblick eines ungeborenen Fötus ist, der von einer Frau seit über 30 Jahren im Bauch getragen wurde: Solche Föten «werden zu einem harten Knochenknäuel, zu einem Stein. Phonetisch gesehen ist es ein schönes Wort – hart und weich. Mir gefiel aber auch die Idee, etwas für lange Zeit, vielleicht im Verborgenen, zu tragen und dann aufzugeben». Uff, Steinkind! Aber eben, das erdige Kartoffelrund eiert: «Die aktuelle Politik ist verdammt beunruhigend. Ich schreibe aus persönlicher Perspektive, meistens über Beziehungen. Und ich finde nicht viel Musik in der Politik. Aber wenn Hassverbrechen zunehmen, werden die Rechte der Frauen zurückgedrängt. Die beiden Nationen, die ich Heimat nenne, bauen Mauern... nun, das Politische ist tief persönlich geworden.» Seufz! Jesca Hoop verarbeitet das alles zu herzerwärmend schönen & melancholischen Songs. Und weckt die Erinnerung ans Hier & Jetzt auf unserer allerletzten Säkularinsel an der zwinglizwingzwangblauen Mississihl. Gutes tun!


Kontraste sind Konzept: Die Zürcher Sängerin, Instrumentalistin & Komponistin Manon Schlittler malt Sounds. Malt mit Sounds. Mit Klangfarben. Ist Musikmalerin. Musiklandschaftsmalerin. 
Licht & Schatten kollidieren in ihrem Universum aus Luft & Erde. Überirdisch, ausserirdisch, unterirdisch, beidfüssig auf dem Boden. Filigrane Linien, weite Flächen & wuchtige Akzente. Mal fett gespachtelt, mal feinstmarderhaarig filigran gepinselt, mal transparent-wolkig aquarelliert, mal wild drauflos gekleckert. Verwobene Schichten & überlagerte Ebenen. Intim unendlich, unendlich intim. Klassische Strukturen sucht mal anderswo, Leute, nur nicht hier bei ihr! Nicht bei Manon. Vulkanöses Ausbrechen folgt schwebend leichtem Dahinflowen. Liebliche Melodien stürzen unvermittelt in naturwundrige Rhein-bis-Niagarafallabgründe. Leicht, organisch, authentisch. Gegensätze ziehen an, der Teufel sitzt im Detail, die Details erwachsen zum Ganzen, zum Bild. Zur Ohrenlandschaft. Zur imaginierten Wirklichkeit. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt: Hier brandet Licht an Dunkelheit wie weisse Gischt an schwarze Klippen. Das eigene Da-Sein wird mit wuchtigen Gesten in die Bedeutungslosigkeit manövriert. Manons glasklare Stimme führt uns durch ihre Kompositionen, schafft Wärme & Nähe. Aber es brodelt immer in der Tiefe & plötzlich schiessen heiss dampfende Geysire gen Himmel, reissen ungergründliche Schlunde auf. Manon tanzt & balanciert auf dem schmalen Grat zwischen Trittfestigkeit & Abgrund – zusammen mit Ásthildur Ákadóttir (Flügel) & Bára Gísladóttir (Kontrabass). Abseits klassischer Songstrukturen oszillieren die Songs zwischen Mystik & Realität, fusionieren Vertrautes & Fremdes. Manon schürft irgendwo zwischen astralen Konstellationen & erdmittelpunktnahen Höhlensystemen nach den schillernden Geheimnissen von Leben & Tod.

 

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