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Feins z'Mittag vom 15. - 19. April
Am liebsten gelesen, gehört und angeschaut ...
melancholisch & zerbrechlich...
Montag, 09.05.2011, 20Uhr20
Lokalbühne
Paul Armfield (UK)
Balladen und Songs wie tausend süsse Tode: Der sanfte 2-Meter-Hüne fasst das Leben in bitterschöne Folk Noir-Juwelen.

«I AM THE BHOPAL BEARDPAL!» Nach Jahren der vielfältig gestalteten Gesichts-& Hauptbehaarungskultur stiftete Paul Armfield am 2. Januar des laufenden Jahrs diese unbändige Pracht für einen guten Zweck: Mehr als 3'000 Pfund kamen zusammen für das giftverseuchte Bhopal in Indien. Das war lange vor Fukushima. Vielleicht lässt er nun auch noch sein Schamhaar springen. Aber lassen wir den Zynismus. Paul ist nicht nur ein charmanter kluger Kopf und echt guter Kerl, er beglückt uns auch mit berührender Musik. Balladen und Songs wie tausend süsse Tode: Der sanfte 2-Meter-Hüne fasst das Leben in bitterschöne Folk Noir-Juwelen. Er singt mit grosser Geste und warmherzigem Timbre von den kleinen Dingen. Literatur ist neben der Musik die zweite grosse Liebe dieses charismatischen Musikers: Zuhause sitzt der Mann in seinem kleinen, gut bestückten Buchladen und wehrt sich gegen den Kommerz (nicht nur) im Musikbusiness; schreibt Songs, verträumt, zynisch und sozialkritisch.

Armfield steht mit Bands wie Motion Pictures oder The Bees für die lebhafte Musikszene der Isle Of Wight vor der Südküste Englands. Es soll da ein von Genies geküsstes Musiknest geben, geniale Musikusse eben! Nach den beiden Alben «Songs Without Words» und «Evermine» folgte nach langer Pause mit «Blood, Fish & Bone» ein weiteres Meisterwerk, unterstützt von seiner Band The Four Good Reasons. Dunkel, ruhig und herzerwärmend zieht Paul den Hörer in seine Welt von Kontrabass, Banjo, Gitarre und Mandoline; der Gesang mal bärig, mal kehlig. Mehr braucht es nicht, um eine zerbrechliche, melancholische, weite Erzählwelt erstehen zu lassen.

Seine Leidenschaft für französische Chansons und europäischen Jazz offenbarte Armfield bereits auf seinen Vorgängeralben und begab sich ausserdem ins Kielwasser zeitloser Songwriter wie Nick Drake, Tim Hardin und Leonard Cohen. Die atmosphärische Nähe zu Lambchop mag sich durch eine gemeinsame Tour mit den Mannen um Kurt Wagner erklären, der stille Kammerfolk-Charakter der Tindersticks aufgrund der Zusammenarbeit mit dessen einstigem Arrangeur Dickon Hinchliffe. Bei allen Referenzen kreiert dieser Mann seinen ureigenen meditativen Kosmos. Und er versteht es, mit seinen Geschichten über die Liebe, das Alter oder Freundschaft trotz oder gerade wegen des Wissens um deren Endlichkeit immer auch deren Schönheit offen zu legen. Stille Klänge, zauberhafte Lieder. Also: Herzen und Seelen auf und hierhören, auf unserer allerletzten Stossseufzerinsel an der ach so verliebten good ol’Mississihl.

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