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Feins z'Mittag 
vom 18.-22.3.24
Am liebsten gelesen, gehört und angeschaut ...
Betörende Zeitgeistrhythmen
Montag, 17.09.2012, 20Uhr20
Lokalbühne
Evening Hymns
+ The Wooden Sky (CAN)
Sowohl Evening Hymns als auch The Wooden Sky aus dem kanadischen Toronto sind mit ihren neuen Alben auf Tour: Erstere mit «Spectral Dusk»; letztere mit «Every Child A Daughter, Every Moon A Son». Zusammen & live sind die beiden Bands schlicht & simpel der Hammer: Wooden Hymns in the Evening Sky.
Wo gehobelt wird, fliegen die Späne. Wo Sägemeister, Künstler & Musiker Jonas Bonetta als Evening Hymns seine verboten schöne Musik zum Besten gibt, schweben die Hymnen. 2010 veröffentlichte er das spektakuläre Debütalbum «Spirit Guides», auf dem seine Freunde von The Wooden Sky, Ohbijou und Timber Timbre mittun und Freundin Sylvie mit zarter Stimme den zerbrechlichen Gegenpart zu Bonetta’s Gesang gibt. Ein höchst komplexes, fast orchestrales, ja visionäres Erlebnis. Live ist alles auf das Nötigste reduziert, ohne dass etwas fehlt. Intime Stimmungen & intensive Atmosphären, die Vergleichen mit Bon Iver, Fleet Foxes, Son Volt undoder Richmond Fontaine mehr als lockerleicht standhalten.

«Spectral Dusk» stemmt nun sacklockerspielendleicht das nächste Level. Ein sehr persönliches Album, musikalisch & textlich an «Spirit Guides» anknüpfend. Aufgenommen in einer abgeschiedenen Blockhütte im Norden Ontarios, wieder mit den engsten Freunden, diesmal von The Wooden Sky, Timber Timbre und City and Colour. Warme Sounds, eingängige Songstrukturen und ein stets melancholischer und dennoch hoffnungsvoller Unterton: Evening Hymns verfrachten uns schnurstracks, aber bestimmt in kanadische Weiten, von wo wir nie mehr zurückkehren. Wollen. Der raunende Wind in den Baumkronen. Geschmirgelte & gewachste Sonnuntergänge an verwunschenen Silberseen. Das Wunderflackern des Knisterfeuers, darein wir entrückt starren. Voll da, aber weit, weit weg. Betörende Zeitgeistrhythmen. Schneeknirschen in eisiger Wintervollmondnacht. Verbotene Früchte der Erkenntnis. Unschuldige Kinderkriegsspiele mit selbstgeschnitzten Waffen. Urbanes Gewusel unter Neonblingbling. Nebelverhangene Bergkristallsihl in lauer Mittsommernacht. Episch. Dramatisch. Traumhaft. Himmlisch. Hymnisch. Überinslisch.

Dazu passt wie die Faust aufs Auge das – dank unzähligen Auftritten rundum den Planeten, drei Longplayern, diversen EPs sowie Dutzenden Kollaborationen – längst seinem Schlafzimmer entwachsene Country-Folk-Indie-Rock-Kollektiv The Wooden Sky von Singer/Songwriter/Gitarrist Gavin Gardiner. Dieser unermüdliche Innovator, dieser ruhelose Freigeist schafft es immer wieder, seinen Sound neu zu erfinden. Jung, frisch, zeitlos. Die Vergleiche reichen von Wilco über Okkervil River bis zu den Flaming Lips. Mit «When Lost at Sea» (2007) und «If I Don't Come Home You'll Know I'm Gone» (2009) hat der hölzerne Himmel schön langsam eine Sammlung rarster Diamanten angelegt. Herzblutdiamanten. Roh & ungeschliffen. Dem Leben abgerungene Songperlen. Zwischen unerhörtem Bedauern, staubigen Strassen, verlorenen Seelen. Die urban-humanen Geschichten der Band treffen den Nerv der Zeit. Aber happig. Nicht umsonst gilt The Wooden Sky als Herausforderung in Sachen Status Quo des angesagten Liveperformens: Auf ihrer legendären «Bedrooms & Backstreets Tour» spielten sie an jedem nur irgend möglichen & unmöglichen Ort wie Hausparty, Balkon, Hinterhof, Lagerfeuer, Hundehütte – dokumentiert (bis auf die Hundehütte) vom befreundeten Regisseur Scott Cudmore (www.youtube.com/user/scudmore). Dass die Jungs immer den Kontakt zu ihrem Publikum suchen & finden, macht einen Grossteil ihres Erfolgs aus.

Das Bekenntnis zur konstanten Neuinterpretation ihrer Songs führte zur wunderbaren Tiefe der Arrangements auf «Every Child A Daughter, Every Moon A Son». Produzent Howard Bilerman (Arcade Fire-Member zu «Funeral»-Zeiten) wirkte mittlerweile an über 300 Alben von Koriphäen wie Wolf Parade, British Sea Power, Basia Bulat mit. Ein unendlicher Raum öffnet sich zwischen den Instrumenten, Raum für ein offenes, wunderbares Storytelling und das intuitive Zusammenspiel der Mitglieder: Andrew Wyatt (bass), Simon Walker (guit) und Andrew Kekewich (drums). Knisternd, die Chemie. Dynamisch, der Sound. Aus rohen Ideen entsteht feine Kost. Immer neu & marktfrisch. Von fingergepickten Folkballaden über dräuenden Indierock bis zum kontemplativen Gedenken vergangener Zeiten: The Wooden Sky kreiert mit ihrer wohlfeilen Palette sphärischer Sounds eine sinistre Geheimwelt, die in dunkle Tiefen des Bewusstseinsarchivs Versenktes als irrlichternde Geistererscheinungen auferstehen lässt.

Und der hölzerne Abendhimmel über unserem verwunschenen Inselparadies erstrahlt in unerhört nuancenreichen Hymnen. Das Leben ist zum Sterben schön. Vom Sohn des Mondes bis zur Spektraldämmerung. In Ewigkeit. Amen.


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