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Feins z'Mittag 
vom 25.-29.3.24
Am liebsten gelesen, gehört und angeschaut ...
Der Charme des Unfertigen und Rauhen...
Montag, 07.11.2011, 20Uhr20
Lokalbühne
Walter Salas-Humara
+ Jerry Joseph (USA)
«Die Verschmelzung von Tradition und Technologie ist eine faszinierende und spannende Sache. Ich kann doch nicht auf der Stelle treten, bloss weil die Leute ihre Ohren nicht aufkriegen und von mir erwarten, dass ich alle Jahre «Cuba» wiederauferstehen lasse.»
Der gebürtige Kubaner und Multi-Instrumentalist Walter Salas-Humara studierte Malerei an der University of Florida, gründete The Vulgar Boatmen, die mit ihrem unschubladisierbaren Stil-Cocktail in unterschiedlichster Besetzung und mit Filmschnipseln und Dia-Projektionen zur «top local attraction» mutierten. Dann erschien ihm in einer Vision der visionäre Ready Maid-Maker und Pissoir-Kunst-Verdreher R. Mutt aka Marcel Duchamp, der zu ihm sagte: «Les pêches marchent dans la rue». Darauf verliess er das Boot der Boatmen nach zwei feinen Alben und schwamm nach New York, um Kunst zu machen. Zwei Jahre später war er Lastwagenfahrer und neben Bob Rupe und Mary Rowell Mitgründer von The Silos, deren Debüt-Album «About Her Steps» 1985 auf dem eigenen Label Record Collect erschien. Ungeschliffene Country-Folk-Rock-Songs mit einer deftigen Prise Byrds, R.E.M., Velvet Underground und Gram Parsons. «Musik sollte sowohl ein Prozess des Lernens als auch des Ausdrucks sein. Und was ist ein Song? Vielleicht immer eine Suche. Wenn ich wüsste, was ein Song ist, wäre meine Suche zu Ende.», sagt einer wie Walter Salas-Humara, der mit The Silos seit Jahr & Tag wohl zu den wichtigsten Roots-Rockern unserer Zeit gehört. Jenseits modischer Trends sucht der Mann nach seinem grossartig klingenden Unwissen. Und so lieben wir ihn und seinen «Charme des Unfertigen und Rauhen».

Nach einer USA-Tournee mit den Silos brachte Salas-Humara 1988 sein erstes Solo-Werk «Lagartija» heraus, mit dem er den Silo-Sound fortsetzte. 1989 unterschrieben die Silos in neuer Besetzung einen Plattenvertrag bei RCA Records, dann quittierte Bob Rupe den Dienst und schloss sich zunächst Gutterball bzw. Cracker an. Die Silos wechselten daraufhin zu Normal Records und veröffentlichten mit der zurückgekehrten Mary Rowell und Gastmusikern wie Jon Dee Graham und Manuel Verzosa das angenehm relaxte Meisterwerk «Hasta La Victoria» (1992). Danach liess Salas-Humara das Silos-Projekt erst einmal ruhen, um mit Michael Hall (Wild Seeds) und Alejandro Escovedo (True Believers) als The Setters ein gleichnamiges Album (1993) aufzunehmen. 1994 veröffentlichte Salas-Humara das Live-Solo-Album «Lean», ein Jahr später «Radar» (Visions: «perfektes Songwriting»).

Die wilde Geschichte von Trennung, Neubesetzung und Wiedervereinigung der Silos setzt sich bis heute fort. Ebenso Walter Salas-Humara’s Experimentierfreude in Sachen Sound: «Die Verschmelzung von Tradition und Technologie ist eine faszinierende und spannende Sache. Ich kann doch nicht auf der Stelle treten, bloss weil die Leute ihre Ohren nicht aufkriegen und von mir erwarten, dass ich alle Jahre «Cuba» (1987) wiederauferstehen lasse.» Nein, Walter, das brauchst du wirklich nicht. Aber du kannst schon, wenn du Bock hast. Denn hier auf unserer allerletzten Insel an der blauschönen Mississihl gehörst du in den ellokalen Künstler-Olymp. Hier kannst du’s so richtig nach Lust & Laune krachen lassen. Und sollte dir wieder Marcel Duchamp ins Gewissen reden wollen, spiel einfach weiter bis zum Umfallen, denn seine postumen Pfirsichspaziergeschwafel-Visionen hast du schon mal überbewertet.
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